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Natürliche Sicherungspunkte und Sicherung an Gipfelgraden

Die Verwendung natürlicher Sicherungspunkte beim Fels-, Eis oder alpinen Klettern erlaubt einen abgesicherteren Aufstieg. Doch was muss man dabei beachten?

NATÜRLICHE SICHERUNGSPUNKTE UND SICHERUNG AN GIPFELGRADEN
Die Verwendung natürlicher Sicherungspunkte beim Fels-, Eis oder alpinen Klettern erlaubt einen schnellen und zusätzlich abgesicherten Aufstieg. Diese Art der Absicherung schließt die Aufstiegswand als Sicherungselement ein und mündet in eine respektvolle und saubere Art der Kletterei. An einigen Stellen könnte es sogar die einzige Möglichkeit sein eine Sicherung zu bauen. Auch für ausgesetzte Gratüberschreitungen bietet diese Art der Absicherung ein geringeres Risiko und kann in den meisten Fällen sehr schnell gelegt werden.

Durch diese Art der Absicherung kann an schwereren Sicherungsmaterial Gewicht eingespart und an Klettergeschwindigkeit gewonnen werden. Besonders bei plötzlichen Wetteränderungen können diese Faktoren ein rettender Vorteil sein. Das schnellere Vorankommen ist jedoch auch für die Realisierung der Kletterprojekte innerhalb der Wunschzeit ein klares Plus.

Natürlich bieten diese Sicherungsstellen auch für Abstiege und zum Abseilen Verwendung. Auf diese Art und Weise des Abseilens muss kein Material zurückgelassen werden.

Natürliche Elemente in der Route als Sicherungspunkte
ZURÜCKGELASSENES UND BEREITS VORHANDENES SICHERUNGSMATERIAL
Meist sind wir nicht die ersten in einer Route – so findet man doch häufig Material, was von vorangegangen Seilschaften hinterlassen wurde oder fest installiert ist, wie z. B. Bohrhaken, Felshaken oder Schlingen. Abseilstellen, Standplätze oder schwierig überwindbare Routenteile sind typische Fundstellen für dieses Material. In Ausnahmefällen wurden zur Wandabsicherung Friends, Klemmkeile oder Knotenschlingen hinterlassen, welche besonders in Rissen öfter zu finden sind. All diese „Hinterlassenschaften“ können für die eigene Routenabsicherung verwendet werden, jedoch nur unter einer Bedingung: Sie müssen vorab genau angeschaut und bestmöglich überprüft werden. Der Zustand des Materials sowie die Platzierung sind kritische Punkte, welche vor der Seileinhängung bestmöglich beurteilt werden sollte.

MOBILE SICHERUNGSMITTEL
Hier beziehen wir uns auf Material, was der Kletterer zur Absicherung in der Route verbaut und, was später wieder abgebaut und mitgenommen wird: Friends, Klemmkeile, Felshaken, Eisschrauben oder Schneeanker sind die herkömmlichsten portablen Sicherungsmittel. Sowohl zum Bauen eines Standplatzes als auch zur Routenabsicherung sind sie dienlich. In langen Routen oder Mehrseillängen sollte stets eine breite Materialauswahl mitgeführt werden, damit eine mögliche Engpasssituation vermieden wird. Dennoch ist es schließlich die Erfahrung und das Kletterkönnen eines jeden, welche die Menge sowie die Auswahl des Sicherungsmaterials beeinflusst. Eine im traditionellen Klettern erfahrenere Seilschaft trifft die Entscheidung des Sicherungsmaterials durchaus exakter und spart somit an Gewicht. Das soll nicht heißen, dass erfahrenere Kletterer generell wenig Sicherungen legen. Jedoch gewinnt man durch regelmäßiges Klettern in diesem Stil an Vertrauen und mentaler Stärke, sodass die Sicherungspunkte exakter und entschiedener gelegt werden.

NATÜRLICHE SICHERUNGSPUNKTE

Knoten

Zum Legen von Sicherungspunkten unter Einbeziehung natürlicher Elemente der Route sind Schlingen mit einem Durchmesser bzw. einer Breite von mehr als 7 mm ratsam. Natürlich sind auch niedrigere Durchmesser praktisch – nämlich, um in der Wand gefundenes Material (wie z. B. nur schlecht fixierte Felshaken) zusätzlich am Fels zu fixieren. Vernähte Bandschlingen besitzen generell eine höhere Bruchlast als verknotete Schlingen. Empfehlenswert ist es, immer mit Schlingen verschiedener Längen in die Route einzusteigen.

Vor jeglicher Verwendung eines natürlichen Sicherungselements in der Route sollte stets dessen Festigkeit überprüft werden. In erster Linie ist es ratsam die Stärke und Festigkeit des Felsens, des Baumes oder Eises zu kontrollieren. Mit einem kurzen Versuch, ob ein Block oder Baum fest sitzt, lässt sich ein erster Eindruck gewinnen. Der Zustand von Sanduhren oder Felsbrücken kann mit einem Blick schnell festgestellt werden – natürlich hängt die Festigkeit immer vom Gesteinstyp sowie von der Felsqualität selbst ab: So ist Granit resistenter als Kalk und Sandstein allgemein der zerbrechlichere Gesteinstyp. Konglomerat und Schiefer weisen meist brüchigere Eigenschaften auf. Doch egal in welchem Gestein man sich bewegt, es sollte stets vor dem Legen der Sicherung die ausreichende Festigkeit im Falle eines eventuellen Sturzes überprüft und eingeschätzt werden. Dies gilt genauso für das Eisklettern – hier hängt die Festigkeit des Eises von den umgebenden klimatischen Bedingungen ab.

Der Ankerstich

Diese Art von Knoten zieht sich an der Sicherungsstelle komplett fest, und das umso mehr, je glatter die Oberfläche des Sicherungspunktes ist. Jedoch wird bei diesem Knoten im Fixierungspunkt das Schlingenmaterial besonders hoch beansprucht und die Kraft komplett auf diesen Punkt übertragen. Ist der Schlingenring um das Sicherungselement komplett geschlossen und der Winkel in Belastungsrichtung besonders klein, reduziert sich die Bruchlast der Schlinge wesentlich (siehe Foto 1). Bei geöffneterem Winkel und somit weniger einwirkender Kraft auf diesen Punkt bei Zuglast, wird der Wert der Bruchlast an dieser Stelle erhöht. Ein Nachteil ist dabei jedoch, dass das Sicherungselement nicht fest umschlossen ist. In Foto 2 ist eine nicht ganz zugezogene Schlinge mit Ankerstich abgebildet. Im Artif-Klettern bietet dieser Knoten eine Möglichkeit der Fortbewegung. Zum Bau einer Standplatzsicherung sollte er jedoch nicht verwendet werden, wenn nicht unbedingt notwendig.

Foto 1: Stark zugezogener Ankerschicht / Foto 2: Ankerstich mit höherer Bruchlast
Der Halbmastwurf

Dieser Knoten ist besonders praktisch zur Zugverschnürung an Sanduhrschlingen im Eis oder kleinen Felsnasen. Seine Belastbarkeit ist um einiges größer als die des Ankerstichs. Jedoch ist es etwas zeitaufwendiger den Halbmastwurf zu knoten. Er eignet sich besonders um bereits in der Wand (schlecht) sitzende Felshaken zu verwenden und vermeidet einen zu kurzen Hebelarm am Felshaken im Falle eines Sturzes. In Foto 3 ist der Halbmastwurf bei einer Schlinge an einer Felsnase verwendet wurden.

Der Sackstich

Dieser Knoten besitzt in etwa die gleiche Belastbarkeit wie die vorher genannten. Der Sackstich kann zur Befestigung an verschiedensten Sicherungspunkten eingesetzt werden – auch für kleine Felsnasen. Im Foto 4 ist dieser sich zuziehende Knoten an einer Schlinge über einem Felszacken abgebildet.

Foto 3: Halbmastwurf um Felsnase / Foto 4: Schlinge mit Sackstich um Felszacken
Schlinge als einfache Schlaufe

Auf diese Art und Weise können Bäume, Felsblöcke und Eissäulen als Zwischensicherung gelegt werden. Eine offene Schlinge wird dabei um das Element gelegt und die Enden werden mit einem Bandschlingenknoten oder doppeltem Spierentich verbunden. Somit wird die Schlinge gleichmäßiger belastet und die direkt einwirkende Kraft auf den Wandpunkt ist deutlich geringer. Etwas nachteilig ist die Zeit, die es braucht einen Knoten in die Schlinge zu bringen. In Foto 5 ist beispielhaft eine Schlinge als einfache Schlaufe um eine Sanduhr gelegt.

Schlinge als zweifache Schlaufe

Eine Schlinge als zweifache Schlaufe zu legen ist besonders mit vernähten Ringschlingen ideal und schnell realisiert. Auch ist die Kräfteverteilung über die doppelte Schlaufenführung gleichmäßiger. Vorteilhaft bei dieser Form der Zwischensicherung ist zudem, dass sich die Schlinge nicht an einem Punkt des Wandelements zuzieht und die Belastung somit an diesem Punkt kleiner bleibt. Im Foto 6 ist ein Beispiel einer doppelt gelegten Schlinge um einen in einem Riss verkeilten Block zu sehen.

Foto 5: Schlinge als einfache Schlaufe gelegt in einer Sanduhr / Foto 6: Schlinge gelegt als doppelte Schlaufe um einen verkeilten Block
Beim Felsklettern findet man häufig natürliche Möglichkeiten zur Zwischensicherung oder zum Abseilen. Je nach Art der Route und Gesteinstyp kann schon vorab meist eingeschätzt werden, welches Material in der Route verbaut werden wird.

Sicherung an Felsblöcken

Felsblöcke können Möglichkeiten für sehr gute Zwischensicherungen sowie Standplätze sein. Vor dem Bauen der Sicherung sollte geprüft werden, ob der Block fest sitzt und sich nicht bewegt. Auch sollte ein Blick auf die Kanten des Blocks geworfen werden – diese sollten möglichst nicht allzu scharf sein, damit das Schlingenmaterial nicht beschädigt wird. Falls es sich jedoch um einen scharfkantigen Block handelt, ist es ratsam, zum Schutz Material, wie Kleidung oder Rucksack, zwischen Schlinge und Block zu platzieren. Die Schlinge sollte soweit wie möglich an der Basis des Blocks und mit der Seileinhängung in Sturzrichtung angebracht werden, um so eventuell auftretende Hebel an der Schlinge auszuschließen. Als Faustregel gilt, dass der Winkel im Belastungspunkt niemals größer als 60º sein sollte. Die Schlinge sollte zudem immer entsprechend länger sein, um ihre Abhebung vom Block bei einem Sturz zu vermeiden. Im Foto 7 ist zu erkennen, dass die Schlinge nicht abgehoben werden kann, sobald der Kletterer fällt. Bei der Sicherung an Standplätzen ist es ratsam die Selbstsicherung direkt an der Schlinge anzubringen und den Nachsteiger vom Körper aus zu sichern. Auch sollte darauf geachtet werden, dass die einwirkende Kraft die Schlinge nicht vom Block hebt. Auf Foto 8 ist ein sichernder Vorsteiger dargestellt, der einen Nachsteiger über einen Halbmastwurf vom Körper aus sichert und dabei selbst an einer Schlinge über einen Block befestigt ist. Eine Möglichkeit der Vermeidung des Abhebens der Schlinge ist das Anbringen einer „Kontraschlinge“, die der Abheberichtung entgegen angebracht und mit der Schlinge des Blocks verbunden ist. Foto 9 zeigt beispielhaft eine solche Kontraschlinge in Form eines Friends, lokalisiert in einem Riss, und deren Verbindung mit der Blockschlinge. Wird eine Schlinge um einen Block korrekt gelegt und ist der Block ausreichend groß und festsitzend, ist dies eine der sichersten Möglichkeiten zur natürlichen Routenabsicherung.

Foto 7: Festsitzende Schlinge um einen Block

Foto 8: Sichernder mit Selbsicherung an einem Block und Nachsteigersicherung vom Körper aus

Foto 9: Kontraschlinge in Form eines Friends
Felszacken und -nasen

Felsformationen die nach außen hervortreten und fest mit der Wand verbunden sind, können mit einem Ankerstich abgesichert werden. Das Zuziehen des Knotens unter Belastung der Schlinge ist für Felszacken und -nasen die beste Möglichkeit der Absicherung und verhindert das Abheben der Schlinge unter Belastung oder durch Seilbewegung. Auf Foto 4 ist eine Absicherung an einer Felsnase beispielhaft dargestellt.

Sanduhren

Sanduhren bieten oftmals eine sehr gute Möglichkeit der Wandabsicherung. Ist die Sanduhr ausreichend fest, kann Sie sowohl als Zwischensicherung, als auch als Standplatzsicherung oder zum Abseilen verwendet werden. Zum Ausprobieren einer solchen Sicherung lohnt sich ein Ausflug zum Naranjo de Bulnes in den Picos de Europa im Norden Spaniens – hier sind festeste Sanduhrschlingen in bestem Kalk zu finden. Die Festigkeit dieses natürlichen Sicherungselements kann an der Größe der „Felssäule“ und den dahinter befindlichen Löchern festgestellt werden. Sind Sanduhren zur Zwischensicherung gedacht, sollten Schlingentypen verschiedenster Längen und Durchmesser vom Vorsteiger mitgenommen werden. Die schnellste Möglichkeit eine Sanduhr abzusichern ist eine vernähte Schlinge. Diese muss einfach nur um die „Felssäule“ gelegt und das Seil eingehängt werden. Bei der Verwendung einer offenen Schlinge ist zu beachten, dass die Enden über einen geeigneten Knoten verbunden werden. Dies erfordert oftmals etwas Zeit und Geschick. Die Seileinhängung erfolgt durch einen Karabiner (am besten mit einem Schraubverschluss) oder mit einer Expressschlinge. Für die Absicherung an Standplätzen sowie zum Abseilen sollte stets eine besonders resistente Schlinge gewählt werden. Bereits vorhandene Schlingen sollten stets überprüft und niemals blind vertraut werden. Wenn nötig ist es ratsam, eine eigene Schlinge zu befestigen. Sollte man eine schon befestigte Schlinge in einem sehr schlechtem Zustand vorfinden ist es ratsam, diese gar zu entfernen, damit keine weiteren Seilschaften in die Versuchung ihrer Verwendung kommen. Foto 5 zeigt beispielhaft eine Sanduhrschlinge.

Verkeilte Blöcke

Eingekeilte Blöcke können zur Zwischen- sowie zur Standplatzsicherung verwendet werden. Vorab sollte der Block besonders gut betrachtet werden. Besitzt er eine ausreichende Größe und sitzt er fest eingekeilt, so bietet er eine ausgezeichnete Sicherungsmöglichkeit. Zur Prüfung sollte er mit der Hand fest in Belastungsrichtung gezogen und dabei geschaut werden, ob er sich in diese bewegt. Auch hier ist es am schnellsten den Block mit einer vernähten Schlinge abzusichern – Foto 6 zeigt diese Absicherug beispielhaft.

Bäume

Bäume, Sträucher, Baumstümpfe und Wurzeln findet man oftmals in der Felswand. Handelt es sich dabei nicht um abgestorbenes Material bieten „Pflanzen“ in der Wand bei ausreichender Größe und Stabilität sehr gute Sicherungsstellen. Vor dem Legen der Sicherung sollte außerdem unbedingt darauf geachtet werden, ob Harz austritt. Die Schlinge wird am stärksten Punkt des Sicherungselements angebracht. Im Falle eines Baumes ist dies so tief wie möglich am Stamm in Richtung Wurzel. Auch hier ist es wichtig, den Winkel von 60º unbedingt einzuhalten, damit die einwirkenden Kräfte kein Reißen der Schlinge verursachen. Für das Abseilen sollte sich der Punkt der Seileinhängung ausreichend weit unter dem Baum befinden und möglichst sogar unter einem eventuellen scharfkantigen Absatz, damit das spätere Abziehen nicht zum Problem wird und das Seil dabei nicht allzu stark an einer Felskante reibt. Eine korrekte Sicherung am Baum ist in Foto 10 dargestellt.

Foto 10: Sicherung an einem Baum
Eissanduhren

Diese Art der Sicherung funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die Sanduhrschlinge im Felsen. Am stärksten Punkt der Basis der Eissanduhr wird die Schlinge befestigt. Diese eiszapfenförmigen Gebilde sind bei guter Eisqualität besonders gute Sicherungspunkte beim Eisklettern. Auf Foto 11 ist eine solche Sicherung zu erkennen. Sollte die Eissanduhr für einen Standplatz verwendet werden, ist eine zusätzliche Sicherung mittels eines Eispickels oder einer Eisschraube ratsam. Hier ist jedoch unbedingt darauf zu achten, dass die Punkte über das Kräftedreieck ausgeglichen werden und kein Punkt unnötig stark belastet wird. Fotos 11 und 12 zeigen beispielhaft die Sicherung an einer Eissanduhr mit und ohne Zusatzsicherung.

Foto 11: Sicherung an Eissanduhr ohne Zusatzsicherung / Foto 12: Sicherung an Eissanduhr mit Zusatzsicherung
Unbedenkliche Risse und Verwehungen im Schneefeld
In einigen Fällen können Kanten von Rissen im Schneefeld und Schneeverwehungen um Felsblöcke als Sicherungsstelle verwendet werden. Durch die Reibung des Seils über Schnee- oder Eiskanten kann ein Sturz der zu sichernden Person abgebremst werden. Diese Art der Sicherung ist eine Möglichkeit der schnellen Absicherung und dem Ausweichen einer plötzlich auftretenden, gefährlichen Situation. Auf Foto 13 ist ein vom Körper aus Sichernder dargestellt, welcher die Kante einer Schneeaufwehung zur Sicherung des Partners nutzt. Dabei gilt: Je besser der Winkel am Auflagepunkt des Seils mit dem Schnee, desto höher die Reibung und desto besser die Sicherung. Bei dieser Art der Sicherung sollte jedoch unbedingt darauf geachtet werden, dass es sich bei dem Riss im Schneefeld um keinen Anriss einer Schneebrettlawine oder Gletscherspalte handelt.

Auch ist es möglich verschiedene natürliche Sicherungspunkte in z. B. den Standplatz einzubeziehen und schließlich nach dem Prinzip des Kräftedreiecks auszugleichen.

Foto 13: Sichernder mit Körpersicherung hinter einer Schneeverwehung
SICHERUNG UND FORTBEWEGUNG AN GIPFELGRADEN
Auf Bergkämmen und -graden ist der Einsatz eines Seils sehr wichtig. In einfachem Gelände mit losem Gestein, indem es keine Sicherungsmöglichkeit gibt, kann das Seil jedoch zu einem trügerischen Begleiter werden. Auch auf ausgesetzten Graden ohne Sicherungsmöglichkeit bietet das Seil keinen Schutz. In diesen Fällen ist das Gehen am kurzen Ende erforderlich, was bedeutet, dass eine Seillänge von 3 m auf Gipfelgraden und 6 m in Fels-sowie Eisrinnen zwischen den Seilpartnern für Sicherung sorgt. In verschneiten Passagen ist es auch möglich etwas Extraseil in der Hand mitzuführen, um so die Reaktionszeit zu erhöhen. Beim Überqueren eines Grades ist es dabei wichtig, dass der stärkere beider Seilpartner hinter dem Schwächeren läuft. Beide sollten dabei stets auf den Anderen achten. Im Falle eines Sturzes des vorderen Seilpartners nach links des Gipfelgrades, würde sich der Hintere schnell nach rechts des Grades schwingen, um somit ein Gegengewicht zu bilden. Das ist zwar eine recht eingeschränkte Art der Sicherung, jedoch eventuell die einzige Möglichkeit der Rettung. Nach dem Fall sollten beide Seilpartner möglichst simultan wieder zum Grat aufsteigen, um so möglichen Gefahren zu entgehen.

Oftmals sind jedoch auf Gipfelgraden natürliche Sicherungsmöglichkeiten zu finden. Ist z. B. ein Block vorhanden, kann dieser mit einer Schlinge abgesichert und über einen Karabiner in das Seil eingehängt werden. Diese Art der Sicherung dient entsprechend einem Standplatz und es kann z. B. der Seilpartner über schwierige Passagen gesichert werden. Die Sicherung am Körper über einen Halbmastwurf ist dabei eine gängige Variante. Auch die Körpersicherung bietet eine sehr gute und effektive Variante zum Nachholen des Partners. Ein Beispiel dieser Sicherung ist in Foto 14 dargestellt: Der Sichernde ist selbst an einem Block festgemacht und holt über die Körpersicherung den Nachsteiger ein. Dabei ist es sehr wichtig, dass die Selbstsicherung bis zur Schlinge nicht zu lang ist, da durch Belastung in das Seil der Vorsteiger mit nachrutschen würde und damit an Stabilität verliert. Je nach Bedingungen kann der Nachsteiger natürlich auch direkt über die Blocksicherung mittels Tuber oder dynamischem Knoten nachgeholt werden (Foto 15).

Foto 14: Sichernder befestigt an einem Block sichert den Nachsteiger vom Körper aus / Foto 15: Sichernder befestigt an einem Block sichert den Nachsteiger vom Block aus
Eine weitere sehr schnelle Möglichkeit zur Sicherung des Nachsteigers, ist die Seilsicherung direkt um den Block, wobei die Seilreibung der ausschlaggebende Bremsfaktor ist. Der Sichernde muss dabei etwas unter dem Block stehen, sodass es ihm die Möglichkeit gibt, den Seilwinkel sofort zu verändern, sobald der Nachsteiger das Seil belastet. In Foto 16 ist die Sicherung auf diese Weise dargestellt.

Foto 16: Nachsteigersicherung direkt um den Block
Auf felsigen Gipfelgraden legt der Vorausgehende die Sicherheitspunkte je nach Möglichkeit der Gratbeschaffenheit. Besonders praktisch ist die Absicherung an Blöcken, welche schnell und einfach mit einer Rund- oder Bandschlinge abgesichert werden können. Das Seil kann mit einem einfachen Karabiner an der Schlinge befestigt werden.

Auch hier ist es wichtig, vorab zu überprüfen, ob der Block scharfe Kanten besitzt, die das Material schädigen könnten und entsprechend einen Schutz zwischen Schlinge und Block zu bringen. Dabei sollte die Schlinge gut positioniert sein und nicht mit der Seilbewegung aus ihrer Position gehebelt werden. Eine weitere Möglichkeit zur Absicherung an Blöcken ist mit dem Seil selbst möglich. Dabei führt man das Seil bei der Gratüberquerung hinter Blöcken und rissigen Formationen entlang. Diese Technik ist besonders schnell, jedoch muss dabei auf die korrekte Seilführung geachtet und das Entweichen des Seils vermieden werden.

Auf schneebedeckten Gipfelgraden sind die Sicherungsmöglichkeiten sehr viel reduzierter. Hier kann ein Standplatz mittels Ausrüstung, wie z. B. Eispickeln und Schneepfählen oder unter Verwendung natürlicher Formationen, wie Eisblöcken oder Schneeverwehungen gebaut werden. Die Anzahl an Zwischensicherungen ist jedoch bei dieser Art der Gratüberquerung limitiert. Zur Risikoverminderung bei nur wenigen Sicherungspunkten ist es somit stets sehr wichtig, die Entfernung zum Seilpartner recht kurz zu halten.

Die Kletterei an Gipfelgraden sollte schwierigkeitstechnisch unter dem persönlichen Können eines jeden liegen, um hier schneller voranzukommen und nicht unnötig an Zeit zu schweren Stellen zu verlieren. In dieser Zone sollten immer die meteorologischen Bedingungen im Auge behalten und im schlimmsten Falle zu Gunsten der Sicherheit der Seilschaft entschieden werden. Wenn es um die Sicherung des Nachsteigers geht, ist die Wahl der ungefährlichsten Sicherungsvariante entscheidend. Die Körperposition beim Nachsichern vom Gurt oder über die Schulter ist dabei ein wichtiger Faktor. Der Sichernde sollte sich stets in einer stabilen Position befinden, wobei er mit den Beinen sehr gute Kraft und Widerstand ausüben kann. Vorab der Sicherung sollte die Zugrichtung im Falle eines Nachsteigersturzes überprüft werden. Auch die Sicherung im Sitzen ist in manchen Fällen ratsam und notwendig. Während der Fortbewegung am kurzen Seil, sollte jeder Seilpartner sich über einen plötzlichen, unerwarteten Sturz des Anderen im Klaren sein und dementsprechend mit besonderer Vorsicht agieren.

Das Erkennen und Absichern eines natürlichen Sicherungspunktes erfordert einen gut geschulten Blick und etwas Übung. So sollte der erstbeste Block auf dem Grad nicht unbedingt gleich mit einer Schlinge verbaut werden. Vorab sollte man immer die Festigkeit und Stabilität jedes möglichen Sicherheitspunktes genau überprüfen. Und möglicherweise ist es eben nicht der erstbeste Sicherungspunkt, welcher zuerst ins Auge fällt, sondern der nach Prüfung verschiedenster Punkte für „am sichersten“- Befundene. Das Klettern auf diese Art und Weise ist um einiges abenteuerlicher und führt an die Ursprünge des Bergsteigens zurück. Auch, wenn es besonders an Gipfel- und verschneiten Berggraden nur eingeschränktere Möglichkeit der Absicherung an natürlichen Elementen gibt, macht es die Kletterei um einiges interessanter und kreativer. 

Text und Fotos:
José Carlos Iglesias

Bergführer IVBV - UIAGM

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